Die ganze Geschichte hautnah miterlebt
«Mein Leben hat sich immer schon um Autos gedreht», erzählt Peter Keller. Immer mal wieder war der Oldtimer-Fan an Bergrennen anzutreffen. Als er einst in einem Buch über die verschiedenen Grand Prix der Schweiz stöberte, realisierte er: «Es gibt kaum neue Austragungen, sondern nur Revivals.» Die Chance an einer Erstaustragung eines Schweizer Bergrennens teilzunehmen ist verschwindend klein. Als Arosa im Jahre 2005 zum ersten Mal auf der Landkarte der Schweizer Bergrennen auftaucht, musste Peter Keller keine zwei Mal überlegen: Das war seine Chance an einer Erstaustragung mit dabei zu sein.
«Eine echte Rennveranstaltung nach FIA-Regeln in der Schweiz überhaupt durchführen zu können, war schon speziell. Da gab es viele bürokratische Hürden zu nehmen», erinnert sich Peter, «es war zudem beeindruckend zu sehen, dass der Kanton Graubünden damals so visionär war.» Seit Peter den Zündschlüssel zum allerersten Mal nach rechts drehte und die ersten Meter auf den Landstrassen mitten in den Aroser Bergen erfahren durfte – damals in einem Ford Mustang 289 Convertible aus dem Jahre 1967 – hat ihn die Faszination Arosa ClassicCar fest im Griff. «Ich war von Beginn weg begeistert von dieser Veranstaltung und der wahnsinnigen Strecke», erinnert er sich.
Die ersten drei Jahre wurde die ClassicCar unter der Leitung von Peter Müller organisiert. Ab der vierten Austragung nahm Arosa die Organisation selber in die Hand. Peter erinnert sich: «Schneefall am Samstagmorgen – 2008 war das schlimmste Wetter überhaupt während all den Jahren. Dennoch war die Organisation beeindruckend. Die Aroser begannen mehr und mehr mit dieser Veranstaltung zusammenzuwachsen. Sie wurde von Mal zu Mal sympathischer, bodenständiger. Mich hat es schon damals gefreut, ein Teil dieser Geschichte sein zu dürfen.»
Eine Geschichte, die sich mit jeder Austragung noch besser liest. «Von Mal zu Mal wurde stets eins obendrauf gesetzt», erzählt Peter. Dazu trug der innovative Tourismusdirektor Pascal Jenny wesentlich bei. Aber auch die Organisation als solches. Dazu zählen auch die vielen Streckenposten. «Die Arosa ClassicCar bietet bis heute eine der besten Streckensicherungen der Welt. Es ist beeindruckend, über wie viele Kilometer da Strecke gesichert werden muss.» Die Streckenposten haben Erfahrungen an renommierten Strecken wie dem Salzburg- oder Nürburgring gesammelt, sind absolute Profis. Dieses Know-how trägt dazu bei, dass sich die Fahrer sicher fühlen. «Arosa hat es seit der Erstaustragung immer wieder geschafft, eine richtig gute Rennleitung zu organisieren. Denn bei so einem Event muss sich das OK zu 100% auf all seine Mitarbeitenden verlassen können», sagt Peter.
7,3. Kilometer. 76 Kurven. 2 Viadukte. 1’000 Tannen. Wenns von Langwies hoch hinauf nach Arosa geht, dann mag das zwar kitschig klingen, doch es ist schlicht eine bezaubernde, einmalige Wunderwelt, die sich den Fahrerinnen und Fahrern eröffnet. Eine Welt, die einem aber auch alles abverlangt. Lange Geraden, kurze Geraden, ein Bergabstück mit Schikanen, drei Spitzkehren, wechselnde Strassenbeläge, nicht einsehbare Kurven, die spektakuläre Fahrt durch Litzirüti. Als wäre das nicht genug, am Schluss die Krönung: Ein wenig Monaco-Feeling mitten im Bergdorf. Dies dank vollen Tribünen entlang der herausfordernden, engen Kurvenkombination. «Die Strecke ist für mich der Wahnsinn, sie bietet schlicht alles und man ist permanent gefordert», so Peter.
Dieses Jahr fährt Peter zum fünften Mal in Folge mit einem Ford Mustang 289 FIA. «Seit ich mit diesem Auto in der Rennklasse unterwegs bin, ist dieses Bergrennen für mich noch intensiver geworden.» Über die Jahre hat der in Henggart wohnhafte Peter Keller verschiedenste Oldtimer bewegt: von einem Fiat CS Spider von 1973 über einen Volvo PV544 von 1963 bis zu einem Opel Kadett GTE von 1977. «Arosa fühlt sich mit jedem Auto anders an», sagt Peter. Das Gewicht, die Kurvenlage, die Beschleunigungswerte: Das Abenteuer Arosa ClassicCar ist jedes Jahr ein neues. Hat Peter einen Liebling unter den sechs auserkorenen Oldtimer, die die Bergstrecke bereits meistern durften? «Nein. Es gibt aber Autos, die sich einfach sehr gut anfühlen. Der Volvo PV544 gehЪrt dazu. Er ist beeindruckend zu fahren, weil es so perfekt zu mir und meinem Fahrstil passt. Der Ford Mustang 289 FIA ist ein weiteres gutes Beispiel. In solchen Fahrzeugen fühle ich mich einfach wohl.»
Wenn Peter in einem seiner Lieblinge in Arosa die Zielflagge sieht, ist er schon fast «daheim» im Fahrerlager. Anders als bei Rennen, wo das Fahrerlager in der Nähe des Starts lokalisiert ist, geniessen die Rennfahrer in Arosa nach der Zieldurchfahrt eine einmalige Atmosphäre: Die Menschen, die Stimmung, die Berge, der Obersee, das Fahrerlager – alles ist greifbar nah. Wenn sich 170 Fahrzeuge sowie 170 Fahrerinnen und Fahrer sich auf engstem Raum tummeln, dann braucht es ein gut eingespieltes Eventteam, damit alle Abläufe reibungslos funktionieren. «Dies zu perfektionieren, hat Arosa in einer Einzigartigkeit geschafft. Das ist mitunter ein Grund, dass ich da gerne jedes Jahr hingehe», sagt Peter.
Bei so vielen Auto affinen Menschen auf verhältnismässig kleinen Raum, umgeben von hohen Bergen, da kommt schnell einmal so etwas wie ein Familiengefühl auf. «Man fühlt sich tatsächlich wie in einer grossen Familie hier.» Die verschiedenen Rennfelder tragen zudem ihren Teil dazu bei, dass die Leute immer in Bewegung sind. «Man läuft sich spontan über den Weg. So ergeben sich immer mal wieder spezielle Begegnungen, gute Gespräche und Freundschaften», erzählt Peter.
«Es ist wie ein Eintauchen für ein paar Tage in eine andere Welt. Alles, was ich mag, kommt hier zusammen: schöne Landschaften, tolle Leute, ein Tag voller Autos, am Abend gutes Essen. Ich bin dankbar, dass ich ein Stück dieser Geschichte sein darf, die Arosa schreibt», erzählt Peter. Dass er und all die anderen Rennfahrerinnen und Rennfahrer eine solch wunderbare Atmosphäre Jahr ein Jahr aus geniessen dürfen, hängt mit viel Goodwill, Befürwortung und Willen, etwas auf die Beine stellen zu wollen, zusammen. «Ich danke allen Arosern, Arosa Tourismus, dem Kanton Graubünden, den Streckenposten – und natürlich den Sponsoren. Ohne alle diese Menschen und das grosse Engagement könnte dieser Event nicht stattfinden.»
Wenn sich die 16. Austragung am Sonntagabend dem Ende zuneigt, dann beginnt für Peter und viele andere Fahrer das grosse Warten aufs nächste Mal. So wie die Kinder sich auf Geburtstage oder Weihnachten freuen, so freuen sich Peter Keller und Co. auf die Arosa ClassicCar. Denn man soll schliesslich in gewissen Dingen durchaus ein wenig Kind bleiben dürfen. «Am Sonntagmorgen wird mir meist bewusst, dass ich nur noch zwei Mal fahren darf und dann wieder nach Hause reise. Wenn am Ende der Veranstaltung das Auto aufgeladen ist, da wird mir dann meist bewusst: Noch 362 Mal schlafen, dann ist es wieder soweit.»