15. August 2024

Auf nostalgischen Spuren

Sie werden immer rarer. Und fallen umso mehr auf, die Fahrzeuge aus der Vorkriegszeit. In Arosa starten deren 14. Ob Bentley, Alvis oder Pontiac – Pionierarbeit lässt sich in all den verschiedenen Klassikern entdecken. So hat beispielsweise Alvis vor knapp 100 Jahren den heute so beliebten Vorderradantrieb erfunden.
© Simon Huwiler
Spannende Gespräche vor idyllischer Kulisse: Roger Heimgartner, Urs und Marco Schweinfurth kurz vor dem Start an der Arosa ClassicCar 2022. | © Simon Huwiler
Hansueli Bächli beehrt die Arosa ClassicCar dieses Jahr zum 14. Mal. Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 2010 – bei jeder Austragung fuhr er im Alvis Grenfell von 1932. | © Simon Huwiler
Die Tradition des Alvis Grenfell hegt und pflegt Hansueli Bächli sorgfältig: «Das Teilen guter Geschichten mit guten Autos ist einfach wunderbar. Insbesondere hier in Arosa», so Bächli. | © Tom Shaxson
Der Pontiac Special von Roger Heimgartner hat den Weg über Paraguay, Argentinien und Belgien in die Schweiz gefunden. | © Rémi Dargegen
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Spannende Gespräche vor idyllischer Kulisse: Roger Heimgartner, Urs und Marco Schweinfurth kurz vor dem Start an der Arosa ClassicCar 2022. | © Simon Huwiler
Hansueli Bächli beehrt die Arosa ClassicCar dieses Jahr zum 14. Mal. Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 2010 – bei jeder Austragung fuhr er im Alvis Grenfell von 1932. | © Simon Huwiler
Die Tradition des Alvis Grenfell hegt und pflegt Hansueli Bächli sorgfältig: «Das Teilen guter Geschichten mit guten Autos ist einfach wunderbar. Insbesondere hier in Arosa», so Bächli. | © Tom Shaxson
Der Pontiac Special von Roger Heimgartner hat den Weg über Paraguay, Argentinien und Belgien in die Schweiz gefunden. | © Rémi Dargegen

Rudolf Caracciola gewinnt den ersten Grossen Preis von Deutschland. Der Fussballclub SSC Neapel entsteht. Flieger der Lufthansa heben erstmals ab. Das war 1926. Im gleichen Jahr rollt der Bentley den Mondial TCM 3000 erstmals aus einer Werkstatt in England. 96 Jahre später bewegt ihn Urs Schweinfurth noch immer gemächlich über die Aroser Strassen. Dieser Tage hinterlassen Vorkriegswagen wie der Bentley vielleicht etwas weniger Spuren auf den staubigen Landstrassen. Dafür hinterlassen sie andere Arten von Spuren – Spuren der Begeisterung.

Die gute alte mechanische Zeit

14 Fahrzeuge aus der Vorkriegszeit zeigen sich dieses Jahr in Arosa. Das waren damals noch Zeiten, als Autos wie der Mondial regelmässig zu sehen waren. Zwar hatten erst Ransom Eli Olds und dann Henry Ford die Fliessbandproduktion bereits ein paar Jahre vor dem Mondial erfunden, respektive weiterentwickelt. Doch Fliessband bedeutete damals noch was anderes als heute. Erst die Idee, dann die Zeichnung, dann folgten schon bald mal Drehbank und Fräsmaschine: Alles wurde mechanisch, händisch und mit einfachen Mitteln hergestellt. Über 85 Millionen Fahrzeuge wurden 2022 weltweit verkauft. 1926 zu Zeiten des Bentley Mondial waren es ein kleiner Bruchteil davon. Der Stellenwert des Fahrzeuges war ein anderer. Die wenigsten konnten sich ein Auto erst leisten. Rollt heute eines dieser immer rarer werdenden Autos zum Service in eine Garage, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Da kann man nicht einfach die Schublade ziehen und das passende Handbuch zücken. Oldtimer-Spezialist Louis Frey aus Muri sagte einst: «Die entscheidende Frage lautet immer: ‹Was macht das Füdli? Man muss die Bewegungen des Autos spüren, genau hinhören, schmecken. Oldtimer muss man erfahren, man kann sie nicht erlernen.›»

Marco Schweinfurth: «Mich freut es besonders, dass Vater Urs über all die Jahre an den Rennen teilgenommen hat»

Der Mondial ist bestes Beispiel dafür. Die Fahrt von Arosa hinunter an den Start in Langwies – ein traditionsreiches Erlebnis. Ein Ausflug in eine längst vergangene Zeit. Zwei dunkle Lederriemen halten die blecherne Motorhaube in Schach. Vier grosse Speichenräder verstecken sich unter den schwungvollen Kotflügeln. Die hellbraune Lenkradschnur sorgt für mehr Halt. Die zwei Sitzreihen sind aus dunkelgrünem Glattleder. Der Kofferraum ist klein, aber fein. Das Dach optional. Eine nostalgisch klingende Hupe ziert das Interieur – die kann man nicht beschreiben, die muss man erleben. Und ein ungemein charmanter Fahrer, der Kurve für Kurve die Streckenposten mit einem Lächeln und Winken begrüsst. Urs Schweinfurth im Bentley – das passt. Von 18 vergangenen Veranstaltungen war Urs Schweinfurth 17 Mal mit dabei.

Ohnehin, die Engländer haben es ihm angetan. «Urs allererstes Auto war ein MGA. So kam eines nach dem anderen hinzu. Als wir Kinder waren, hatten wir zudem mal einen Studebaker-Vorkriegler mit dem wir ausfuhren, Maximalgeschwindigkeit waren 40 Stundenkilometer. Mit dem gingen wir ans Klausenrennen. Wir kamen als Kinder schon in den Genuss dieser wunderbaren Fahrzeuge. Und halfen dem Vater, die Autos zu pflegen – Chassis bürsten, streichen und so weiter. Mich freut es besonders, dass Urs über all die Jahre diese Traditionen aufrechterhielt, und immer wieder an den Rennen teilnahm», sagt Sohn Marco Schweinfurth, der 2022 an der Arosa ClassicCar in einem roten MG MK1 aus dem Jahre 1934 fuhr. Ein Rennwagen aus der Sammlung des Vaters.

Vorkriegsfahrzeuge: Es werden immer weniger

«Immer weniger Leute seien bereit, solch alte Autos zu bewegen. Vielleicht ist es auch eine Generationenfrage. Welche Väter nehmen ihre Kinder schon mit in solchen Autos?», erzählt Schweinfurth. Heutzutage können Jungs und Mädels den Führerausweis in einem Automaten absolvieren. Von einem VW Polo mit Doppelkupplungsgetriebe hin zu einem Auto aus der Vorkriegszeit – ohne Servolenkung, dafür mit Zwischengas – ist es ein gewaltiger Sprung. Das braucht erst mal viel Überwindung und Verantwortung, sich hinters Steuer zu setzen. Marco darf sich glücklich schätzen mit Urs einen Vater zur Seite zu wissen, der ihm diese Tradition von klein auf mitgab. Und so weiterleben lässt.

Unterwegs im Erfinder der ersten Vorderradantriebe

Die Geschichte des Alvis Grenfell geht mit Hansueli Bächli weiter. Das Auto ist aus dem Jahr, in welchem die Harbour Bridge in Sydney eröffnet wurde – 1932. Bächli fährt zum 14. Mal damit in Arosa. «Für mich kam nur eine Automarke in Frage, die es nicht mehr gibt. Da landest du relativ schnell bei zwei, drei Marken», erzählt Bächli, «Alvis war eine innovative Firma, die haben den Vorderradantrieb erfunden und zuverlässige Motoren mit starker Leistung gebaut.» Die heutige Form erhielt der Alvis erst in den 1950ern. Bis dahin war es ein sogenannter Alvis Firefly, ein Familienauto. Der Originalmotor hatte damals vermutlich nur 1,5 Liter Hubraum, später modifizierte man das Auto dann mit dem gewaltigen 4,3-Liter-Motor. Als Grenfell wurde der Alvis dann nur noch bei Rennen eingesetzt, aber mit derselben Immatrikulation wie damals im Jahre 1932. So fuhr er unter anderem auf berühmten Strecken wie Silverstone oder Goodwood.

Alvis ist eine jener Automarken, die längst von der Bildfläche aktiver Hersteller verschwunden sind. 1967 lief die letzte Baureihe vom Band. Der Grenfell mit Kompressor-Motor hat für seine Zeit unglaublich starke 140 PS bei einem Gewicht von einer guten Tonne. Einst in Deutschland gefunden und als Wrack importiert, hegt und pflegt Hansueli Bächli den Alvis mittlerweile seit vielen Jahren. Und geniesst ihn: «Schöne Momente sind für mich immer in Arosa – vor allem der Corso – das ist immer was vom Verrücktesten. Und auch die Streckenposten am ClassicCar sind ein Highlight. Im Schoggi-Rank machen sie immer die Welle. Das Teilen guter Geschichten mit guten Autos ist einfach wunderbar.»

Die Faszination für Oldtimer hängt sicherlich auch damit zusammen, dass man sie im heutigen Strassenbild kaum mehr sieht. Denn man darf sie pro Jahr nicht mehr als 3’000 Kilometer bewegen. So ziehen Alvis, Riley, Pontiac und wie sie alle heissen, wenn sie dann mal auftauchen, schnell ihre Blicke auf sich. Ob Italiener, Engländer oder Amerikaner: Die Highlight-Palette ist in Arosa gut bestückt, was die Vorkriegswagen betrifft.

Pontiac Special findet den Weg über Paraguay, Argentinien und Belgien in die Schweiz

Einer dieser Amerikaner, ein besonderer Blickfang an der Arosa ClassicCar, ist seit vielen Jahren der silberfarbene Pontiac Roadster. Die Geschichte dieser 3-Liter-Maschine geht zurück bis ins Jahr 1929, als die Marke Pontiac erst ihren dritten Geburtstag feierte. Aber der Reihe nach. Vor vielen Jahren sass Roger Heimgartner einst als Fan auf der Zuschauertribüne der Arosa ClassicCar. Als er die Vorkriegswagen durch die S-Kurven in Richtung Ziel fahren sass, machte es Klick. «Ich sagte mir: Wenn ich irgendwann mal genügend Geld habe, hole ich mir so einen und fahre damit in Arosa», erinnert sich Heimgartner.

Bis er seinen passenden Oldtimer fand, brauchte Heimgartner allerdings einige Geduld. Die Odyssey des Pontiac Roadsters beginnt in Argentinien. Als Coupe konzipiert wurde das Auto als Rennwagen umgebaut und 1945 als Zügelgut nach Paraguay verschifft. Dort wurde der Pontiac für diverse Rennen auf Ovalkursen eingesetzt – im Kreis fahren, so schnell es geht. 1969 gings von Paraguay nach Argentinien in eine damals bekannte Spenglerei. Dort entstand die heutige Form – der sogenannte «Special». Nach diversen Feinarbeiten und Optimierungen gings hiess die nächste Station Belgien. Der damalige Besitzer nahm einen Restaurierungsversuch vor – hat aber irgendwann aufgegeben. Jetzt kommt Roger Heimgartner ins Spiel. Sieben Jahre investierte der Wollerauer, bis der Pontiac dann endlich das Prädikat «sauber restauriert» verdient hat. Seit 2009 ist Heimgartner bei der Arosa ClassicCar mit dabei, seit 2019 im Pontiac.

Warum eigentlich ein Pontiac? «Es gibt ganz wenige Vorkriegsmodelle, die passend sind für einen 1.94 Meter grossen Menschen. Ein Alvis hätte mir auch gefallen. Aber da drin hätte ich keinen Platz gehabt.» So wurde es ein Pontiac und ein damit ein unverwechselbares Erlebnis in Arosa, Jahr für Jahr: «Ich liebe die Strecke in Arosa, früher fuhr ich mit einem Alfa. Doch ich möchte nicht mehr zurückwechseln. Das Fahrfeeling im Pontiac macht so viel Spass. Ich brauche die Herausforderung mit einem alten Auto, da hochfahren zu können. Schalten ist schwierig, lenken ist schwierig, bremsen ist schwierig. Du hast das Gefühl, du bist in horrendem Tempo unterwegs, doch in Realität bist du überhaupt nicht schnell. Du kämpfst mit dem Auto und mit dir selbst und nicht mit der Geschwindigkeit. Du versuchst, das Auto zu beherrschen, das ist die wahre Faszination.»

Autorenschaft
Simon Huwiler
Zum Profil

Simon Huwiler studierte an der Hochschule für Wirtschaft Luzern (HSLU) Betriebsökonomie mit Vertiefung Kommunikation und Marketing und am Medienausbildungszentrum in Luzern (MAZ) Journalismus. Mit seiner Kommunikationsagentur Kurkuma Communication (kurcom.ch) ist er für verschiedene Unternehmen in den Bereichen Kommunikation, Social Media und Marketing tätig. Zudem unterstützt Simon seine Kunden seit vielen Jahren auch visuell in der Kommunikation – als Fotograf (simonhuwiler.com).


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