Die dreifachen Webers - eine Premiere für Arosa
Die 76 Kurven von Langwies nach Arosa kennen die Webers bestens. Nicht erst seit der Arosa ClassicCar. Die Webers und Arosa, das ist eine jahrzehntelange Erfolgsstory. Eine, die weit über die Liebe zu Oldtimern hinausgeht. Arosa war bereits in den 1940ern eine Hausnummer für Wintersport und Erholung im Sommer in der Schweiz. Wer kennt sie nicht, die nostalgischen Poster mit den skifahrenden oder sich sonnenden künstlerisch gezeichneten Schönheiten und dem gelben Arosa-Schriftzug. Werner O. Weber hat diese Zeiten miterlebt. Seit 1956 ist der Hof Maran im Besitz der Webers. «Die Lage des Hof Marans ist für mich die schönste in Arosa überhaupt. Ich bin schlicht ein Fan», schwelgt der mittlerweile 83-Jährige in Erinnerung. Über die Jahrzehnte ist eine enge Bindung zu Arosa entstanden. Diese hat sich längst auf Weber Junior und mittlerweile dessen Tochter Alicia übertragen.
«Ich fuhr die Strecke Chur-Arosa schon immer wahnsinnig gerne. Als Knabe war es die Herausforderung. Dann kamen die Ambitionen hinzu – du wolltest etwas schneller werden», erinnert sich Werner C. Weber. «Arosa war für mich seit klein auf einen wesentlichen Ort: Im Sommer Cervelats bräteln, im Winter gelernt Ski zu fahren sind nur zwei von vielen Kindheitserinnerungen. Damals noch im Citroen 2CV musste man den Berg hinauf die anderen vorbeilassen. Wenn es dann aber bergab ging, da waren wir schnell. Unten in Chur bist du jeweils ausgestiegen und hast geprüft, ob die Trommelbremsen noch funktionieren, bevor du auf die Autobahn einbogst.» Dass nun seine 19-jährige Tochter Alicia zum ersten Mal in Arosa in einen Oldtimer steigt, ist für den Vater und Grossvater eine einmalige Angelegenheit. Drei Webers an der ClassicCar. Da fahren 164 Jahre Lebenserfahrung von Langwies hoch nach Arosa. Werner O. Weber im Porsche Carrera RS 2.7, Werner C. Weber im Porsche 964 Carrera RS mit den Edelweiss-Stickern, Alicia im VW Golf 1 von Jean-Philippe Tripet.
Zollikerberg, im Juni 2022. Werner Senior hat sich hier seinen langersehnten Wunsch erfüllt: seine eigene Garage; mit Hebebühne, Entlüftungssystem und kleiner Werkstatt. Sie wirkt wie ein modernes Museum: Beiger Plattenboden, weisse Wände, moderne runde helle Lampen an der Decke – dimmbar bei Bedarf. Schön aufgereiht stehen sie nebeneinander, die Porsches, der Ferrari 550 Maranello, der Mercedes SLS. Ein einmaliger Anblick. Doch noch sind die Autos weit weg von einem echten Museum. Denn Weber Senior bewegt seine Schätze regelmässig. Selbst den Geländewagen-Porsche, den 597er, eines von nur zwei Exemplaren in der Schweiz. Weltweit gibt’s davon gar nur 44 Stück. Oder der legendäre Porsche 356. Dieses Jahr zeigen sich übrigens gleich drei Stück davon an der ClassicCar. Hier in der Garage von Werner O. Weber trifft man auf die Anfänge von Porsche und sieht nur wenige Meter nebenan, wohin der Weg künftig geht – in Richtung reine Elektroautos. Weber Senior führt durch seine Garage: «Dieser macht Krach, dieser macht sehr viel Krach, dieser macht noch mehr Krach», lächelt er. Sein Blick schwenkt in Richtung Taycan. «Der macht keinen Krach. Elektrische Porsches sind faszinierend und sehr schnell. Aber der Spassfaktor ist in den alten Wagen halt doch grösser.»
Die alten Porsches haben Werner Senior und Junior über viele Jahre über die Rennstrecken Europas bewegt. Wochenende für Wochenende. Weber Senior fuhr den zweiten Porsche 911, der je in der Schweiz ausgeliefert wurde, war seit Beginn Teil der Porsche-Ära und ist mittlerweile das langjährigste Mitglied des Porsche-Clubs Zürich. So gab es immer wieder Ausflüge mit dem Porsche, man ass Spargeln zu Mittag, ging danach auf die Rennstrecke. «Als Bub faszinierte mich das sehr. Einst fuhren wir mit dem Porsche nach Misano. Der Vater nahm Platz am Steuer, die Mutter war Beifahrerin, und ich sass als Bub zusammengefaltet auf der Rückbank. Und dann hatten wir noch Gepäck im Kofferraum. Meine Mutter hatte Freude an Italien, mein Vater am Rennen fahren – und mir gefiel alles: Italien, Strand und Rennstrecke», erzählt Weber Junior von den guten alten Zeiten. Primär wollten die Webers ‹fun› haben bei ihren Abenteuern auf der Rennstrecke – natürlich gehört da dazu, sich sportlich messen zu wollen, Limits zu ertasten; aber gleichzeitig immer auch Sorge zu den Autos tragen. Und so erlebten Vater und Sohn die eine oder andere Geschichte, über die sie heute noch schmunzeln. «In Mugello hatten wir einst am Edelweiss-Porsche Flammenrohre montiert. Das war infernalisch – man hörte das Auto von überall her. Starteste du den Motor in der Box legten sich alle erst einmal nieder, es war so laut. Das war sensationell. Doch von der Rennleitung kam bald der freundliche Aufruf an den kommenden Veranstaltungen doch wieder gemässigter daherzukommen», erzählt Werner C. Weber.
In Arosa startet er zum ersten Mal in eben diesem Edelweiss-Porsche – dem unverkennbaren blau-violetten 964 Carrera RS mit den Edelweiss-Stickern. In den Jahren zuvor war er noch im 924 Carrera GT unterwegs. Dieser basiert auf dem 924er – ein Versuch, neue Formen und Linien einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Der Hype verblasste irgendwann und somit ist der 924er heute eine Rarität, nur wenige Modelle wurden produziert. «Der 924er ist ein tolles Auto. Aber eigentlich ungeeignet für Strecke Langwies-Arosa. In engen Kurven musst du quasi anhalten, um den ersten Gang einzulegen. Zudem ist er ein Turbo der ersten Generation, da spürst du das grosse Turboloch. Ohne Servolenkung ist das Auto im Strassenalltag ebenfalls nicht ganz einfach zu fahren. Parkieren geht nur, wenn du vorher ins Fitnessstudio gehst, es ist wirklich hart», lächelt Werner C. Weber.
Während vielen Jahren fuhren Vater und Sohn gemeinsam an bekannte Rennstrecken wie den alten Hockenheimring – oft mit dem Edelweiss-Porsche, ihrem ersten Rennauto. Und feierten damit beachtliche Folge. Auch in den Bereichen Langstreckenrennen und Slaloms. «Wir durften einige Male aufs Treppchen», erzählt Werner C. Weber. Doch mit den Jahren wurde das Hobby immer aufwändiger. «Mit Sattelschleppern wie bei einem Formel-1-Rennen nahm das Ganze eine Dimension an, die irgendwann zu gross wurde – für ein ‹Wurst- und Brotrennen› stimmten Aufwand und Ertrag einfach nicht mehr. Wir wollten etwas reduzieren und beschränkten uns dann auf wenige, ausgewählte Rennen – so wie jenes in Arosa.»
Zurück in der Garage von Weber Senior. Zwischen den nostalgisch lauten und heutigen leisen Porsches erzählt Werner O. Weber von seinen Leidenschaften. Weber war und ist sein Leben lang ein grosser Fan von Pferdestärken. Nicht nur jenen in Porsches und sonstigen faszinierenden Autos. Jahrelang war er Teil der Schweizer Springequipe, tourte erfolgreich durch Europa. Dann entdeckte er das Bergsteigen – über 30 Viertausender hat er gemeistert. Tauchen und Gleitschirmfliegen gehörten ebenfalls zu seinen Abenteuern. Heute, mit 83 Jahren, sind es noch immer die Porsches, die ihn am meisten faszinieren. Warum eigentlich Porsches? «Eine gute Frage, die hat mir noch gar niemand gestellt. Die AMAG hat stets Volkswagen importiert, wir kannten den Gründer, Walter Haefner und den damaligen Verwaltungsratspräsidenten Ernst Wanger, waren befreundet. Die hätten es wohl nicht ertragen, wenn wir ein anderes Auto gefahren hätten. Zu Beginn waren es die VWs – und dann produzierten die plötzlich einen Porsche. So blieben wir dieser Linie eben stets treu.»
Jahrelang genossen es Werner Senior und Junior, gemeinsam auf die Piste zu gehen. «Das waren immer tolle Erlebnisse, wenn Vater und Sohn gemeinsam nach Le Castellet in Frankreich oder an eines der Rennen in Italien oder Deutschland fuhren», erzählt Weber Senior. Nun starten die Webers erstmals zu dritt in Arosa. Genau wie Werner C. Weber als Kind hat auch Alicia in den letzten Jahren so oft den Weg von Chur nach Arosa zurückgelegt. «Die Route kenne ich langsam in- und auswendig. Ich weiss, welche Kurven mir ein bisschen Mühe machen, wo es einem schlecht wird», erzählt sie. Kaum die Autoprüfung gemacht, gings schon ziemlich schnell mit Vater Werner auf die Rennstrecke – mit ihrem ersten eigenen Auto, einem Suzuki Ignis – keine Rakete, aber zum Üben allemal tauglich. «Die Vorfreude ist gross, da ich immer als kleines Mädchen zugeschaut und mitgefiebert habe. Nervosität und Respekt sind voll da, weil der VW Golf, mit dem ich fahren darf, nicht mein eigenes Auto ist. Aber wenn ich da vorsichtig und vernünftig an die Sache rangehe, sollte das kein Problem sein.» Was kann ein Jungspund wie Alicia von Grossvater und Vater lernen, bevor sie zum ersten Mal in Arosa aufs Gaspedal drückt? «Der Grossvater war schon immer ‹gechilled› drauf – er ist einfach entspannt und locker. Und mein Vater ist auf Knopfdruck konzentriert bei der Sache. Diese Eigenschaften haben sich auch auf mich abgefärbt.»
Zusammen mit der Tochter in Arosa starten – das macht natürlich einen wie Werner C. Weber mächtig stolz. «Für mich hat es einen grossen Stellenwert, dass Alicia nun mitfährt: Ich konnte das Hobby damals mit meinem Vater ausüben und habe so viele schöne Erinnerungen daran. Ich brachte Tochter Alicia stets etwas von der Rennstrecke mit – einen Werbekugelschreiber von Pirelli oder die Startnummer oder was auch immer. So wie mein Vater mich an den Motorsport heranführte, möchte ich Alicia dabei begleiten.» Und wie macht sie sich so, ist sie für Arosa bereit? «Ich war erstaunt, wie schnell sie das Autofahren beherrscht hat. Ich glaube, sie ist nicht ganz unbegabt. So wie ich damals den Citroen 2CV erhielt, ermöglichten wir ihr einen Suzuki Ignis. Mit diesem Auto fährt sie nun umher und hat den Plausch. Und mit diesem Auto war sie mit uns auf einem Tracking-Event. Ich war beeindruckt, wie sie das Auto auf dem Circuit bewegt hat – und der Suzuki ist weiss Gott kein Rennauto.» Bei aller Euphorie, Werner C. Weber ist sich bewusst, was es heisst, von Langwies nach Arosa zu fahren, «jeder Fahrer, jede Fahrerin müssen selbst den Berg hinauffahren. Als Vater hast du zwei Herzen in der Brust – Freude und Leidenschaft sind das eine. Aber die Vorsicht ist genauso wichtig. Die Arosa ClassicCar hat es in sich. Ich habe mit Alicia entsprechend intensive Gespräche geführt. Es geht um ein langsames Herantasten. Man muss die Strecke spüren und das Auto vernünftig bewegen können.»
Erst der Senior, dann der Junior, jetzt auch die Tochter. Drei Generationen starten in Arosa. Damals, Ende der 1950er Jahre hat Weber Senior noch in ganz anderen Autotypen gelernt zu fahren, als Alicia es nun im ‹futuristischen› 2022 tut. Anhand der Webers zeigt sich eindrücklich, wie sich die Mobilität in den letzten Jahren verändert hat und in naher Zukunft weiter verändern wird. Da gab es die Zeiten, wo grosse Motoren, Benzinverbrauch und -preise überhaupt keine Rolle spielten. Ein paar Jahrzehnte später zeigt sich ein anderes Bild auf den Strassen Europas. Die Industrie versucht sich an die sich ständig ändernden Anforderungen anzupassen, um das Mobilitätsbedürfnis anzubieten, das gerade gefragt ist. «Das sind grosse Herausforderungen in einer Zeit, wo E-Mobilität Trend ist. Die Vergangenheit gehört aber auch dazu – und das sind die Benzinmotoren. Auch in neuem Umfeld, wo man anders denkt, hat die Arosa ClassicCar noch immer noch eine Berechtigung. Für Arosa ist dieses Mini-Monte-Carlo etwas Spezielles. Ich hoffe, dass der Event auch unter diesen neuen Herausforderungen stets ein Plätzchen haben wird», so Werner C. Weber.